Die Fahrt in den Urlaub einmal ganz anders – das ist die Idee für den diesjährigen Familienurlaub. Im letzten Jahr hab ich als bekennender Fahrradpurist erfahren dürfen, das ein E-Bike durchaus eine sinnvolle Ergänzung des familiären Mobilitätskonzeptes darstellen kann. Unsere beiden Jungs hatten sich in den Kopf gesetzt ab dem Frühjahr die 15 km zur Schule mit Fahrrad zurück zu legen. Da es nicht unerheblich bergauf und bergab geht wurden zwei sehr elegante City-E Bikes der Niederländischen Marke VanMoof angeschafft. Die Bikes mit ihrem schlichten, geradlinigen Aussehen sind der Hammer. Doch kann man mit den schicken motorunterstützten Citybikes auch lange Strecken im Bereich von mehreren hundert Kilometern fahren. Da war die Idee geboren. Wir – Jan, Kay und ich fahren von München nach Amsterdam mit VanMoof electrified Bikes in den Urlaub. Die Strecke von knapp 1000 km wollen wir eher mit Sightseeing und schönen Landschaften quer durch Deutschland verbinden als mit einem Zeit- oder Geschwindigkeitsrekord.
Was fehlt für uns 3 ist noch ein weiteres E-Bike. Dazu haben wir den Kundenservice von VanMoof kontaktiert und mit unserer Idee konfrontiert. Kaum zu glauben – das Team vom Hersteller VanMoof war von unserer „VanMoof Testtour“ begeistert und möchte uns mit einem weiteren VanMoof electrified S2 E-Bike unterstützen. Vielen herzlichen Dank für Eure positive Nachricht.
Nachtrag 28.08.2020 nach der Tour: Nicht nur der Support mit einem zusätzlichen Bike und den Gepäckträgern war eine tolle Sache von VanMoof, sondern auch der kostenlose Rücktransport via UPS. Vielen Dank VanMoof für den tollen Service :-)).
Planung
Es ist soweit. Der Kundenservice von Van Moof hat es tatsächlich wahr gemacht und unterstützt uns mit einem Leih-Bike und drei Gepäckträgern auf unserer Tour von München nach Amsterdam. Heute am 17.07.2020 ist ein überdimensional großer Karton per UPS bei uns eingetroffen. In weniger als zehn Minuten ist alles ausgepackt und unser drittes Bike startklar für die erste Testfahrt. Nach der Montage der zierlichen, aber wieder erwarten stabilen Gepäckträger wären wir startklar.
Um den Ladevorgang von drei E-Bikes etwas zu vereinfachen haben wir ein 8 m langes Adapterkabel mit drei Anschlüssen gebastelt und die drei Ladegräte zu einem Block montiert. Damit sollte es während der Tour einfach sein die drei Räder an einer Steckdose kurz zwischen zu laden.
Jetzt stehen noch ein paar Reichweitentests und die Montage der Satteltasche an .
Übersicht
Gesamtstrecke: 1000 km
Anstieg: 3000 m
Abstieg: 3500 m
Tatsächlich gefahrene Strecke – GPX downloadbar unter Kartendarstellung
Etappen
Tag 1 – 09.8.20 – München – Ingolstadt 115 km / 700 Hm
Tag 2 – 16.8. 20 – Ingolstadt – Gunzenhausen am Altmühlsee 97 km
Unterkunft: Jugendherberge am Altmühlsee
Tag 3 – 17.8.20 – Gunzenhausen – Rothenburg o.d.T. – Creglingen 88 km
Unterkunft: Pension Herrgottstal
Tag 4 – 18.8.20 – Creglingen – Wertheim – Miltenberg 122 km
Unterkunft: Hotel Rosenbusch Großheubach
Tag 5 – 19.8.20 – Miltenberg – Frankfurt – Mainz 133 km
Unterkunft: Rhein-Main-Jugendherberge Mainz
Tag 6 – 20.8.20 – Mainz – Koblenz 107 km
Unterkunft: Hotel Jan van Werth Koblenz
Tag 7 – 21.08.20 – Koblenz – Köln 102 km
Unterkunft: Jugendherberge Köln-Riehl
Tag 8 – 22.8.20 – Köln – Kevelaer 106 km
Unterkunft: Parkhotel Kevelaer
Tag 9 – 23.8.20 – Kevelaer – Nijmegen – Elst 88 km
Unterkunft: B&B Weids in Elst
Tag 10 – 24.8.20 – Elst – Utrecht – Amsterdam VanMoof Shop 80 km
Unterkunft: Prins Hendrik Hotel Amsterdam
Tag 1 – München – Ingolstadt 115 km / 700 Hm
Es geht los ! München schläft noch. Es ist kurz nach sieben Uhr, wir laden die Räder vom Radträger ab. Das Gepäck, die Satteltaschen, alles ist noch etwas sperrig zu montieren und zu verzurren. Schließlich ist alles aufgeladen und wir sind startbereit. Heute ist der 09. August und wir wollen die erste Etappe von München nach Ingolstadt zum Testen der Reichweite und des Streckenrooting von Komoot nutzen.
Es sind heute nur Zweidrittel der Mannschaft am Start. Es radeln Jan und Olli. Start ist der Marienplatz am Münchner Rathaus.
Die ersten Sonnenstrahlen finden Ihren Weg zwischen den Häusern hindurch und sie versprechen einen sonnigen, aber auch heißen Augustsonntag mit deutlich über 30 °C.
Das kleine elektrische Helferlein im Vorderrad beginnt angenehm zu surren und wir bewegen uns mühelos in Richtung Englischen Garten. Einige Ampeln, eine Unterführung und wir passieren das Japanische Teehaus.
Hier war wohl noch einer früher unterwegs wie wir. Der Eisbachsurfer hat die weniger frequentierten Morgenstunden an der Eisbachwelle genutzt und ist jetzt auf dem Weg zum zweiten Frühstück.Über den weiten Wiesen des Englischen Garten schwebt eine hauchdünne Nebelschicht. So lässt es sich angenehm radeln. Rasch lassen wir den Biergarten am Chinesischen Turm, der aufgrund der Pandemieauflagen eher wie ein Gefängnis aussieht hinter uns. Bei Unterföhring treffen wir auf die Isar und folgen dem von Wald umgebenen Uferweg bis Garching.
Mit Helferstufe 2 von 4 cruist man mit knapp 20 km/h ohne große Anstrengung die ebenen Schotterwege entlang. Auf Radwegen und kleinen Nebenstraßen geht es durch die Vororte von München, welche ich bisher nur von den Autobahnausfahrten, oder Ikeabesuchen (Eching) kenne. Ein herrlicher Morgen, die Sonne scheint uns ins Gesicht und wir erreichen nach 35 km den Flußlauf der Amper.
Die Wegführung der Komoot App passt ganz gut, Radweg, oder Nebenstraßen in jedem Fall keine zu groben Wege für unsere Citybikes.
Es ist schon fast Halbzehn und der Hunger macht sich breit. Allershausen rückt näher. Noch ein wenig auf und ab im sanft hügeligen Münchner Umland und wir erreichen die Bäckerei Kloiber. Das sieht schon sehr perfekt aus, Frühstück, Kaffee, WC alles da nur keine Steckdose um die Zeit für eine Nachladung der Akkus zu nutzen. Schließlich dürfen wir unser 10 m Kabel in der Backstube anstecken und einer ausgiebigen Pause steht nichts mehr im Weg. Ergebnis – 40 min Laden ergibt eine Aufladung um etwa 25 %.
Als nächstes Zwischenziel steht ein kurzer Besuch in einem Dörfchen hinter Pfaffenhofen, bei Bernd meinem Kollegen an. Der Himmel ist wolkenlos, die Temperatur steigt, aber so lange das surrt spürt man die Hitze nicht.Mit dem kleinen „Suchtknopf“ am rechten Bremshebel setzt man die volle Leistung von 500 W am Radnabenmotor frei und boostet damit so gut wie jede Steigung locker weg. Wir sind im Flow und radeln über die kleinen Nebenstraßen in Richtung Pfaffenhofen und immer weiter.
Irgendwo im Nirgendwo meint ein ambitionierter VW T3 Fahrer mit Anhänger uns noch von der Straße auf in die Wiese schieben zu müssen. Nix passiert wir radeln weiter und weiter und plötzlich ist es passiert. Bernd Heimatdörfchen liegt weit hinter uns – wir sind einfach vorbei gedüst und haben die Abzweigung verpasst. Leider muss Bernd jetzt sein Bier und Wasser alles selber trinken, aber umkehren war in Anbetracht der noch bevorstehenden Strecke keine Option. Sorry Bernd – wir kommen bestimmt ein anderes Mal. Die Straßen und Gärten in den Dörfern sind menschen leer. Die Hitze hat sie in Ihre Gemäuer zurück gedrängt. Unser Wasser wird knapp und wir suchen vergeblich nach einer Möglichkeit jemanden im Garten ansprechen zu können. Am letzten Haus in Au am Aign haben wir Glück und eine Familie beim Grillen füllt unsere Wasserflaschen.
Wie eine kleine Oase taucht der Heideweiher in der Nähe von Baar-Ebenhausen auf. Jetzt heist es chillen im Schatten, schwimmen und einfach etwas runterkühlen. Bis nach Ingolstadt sind es noch 15 km und zu uns nach Hause noch 30 km. Das Tagesziel rückt näher.
Mittagessen in einem Biergarten unter Kastanienbäumen, das wäre jetzt genau das Richtige. Der Flotzinger in Baar-Ebenhausen möchte uns fünf nach zwei nichts mehr verkaufen. Im Bonschab Biergarten in Ingolstadt haben wir Glück und sitzen entspannt bei einigen leichten Weizen Spinatknödeln und einem Schnitzel unter den riesigen Kastanienbäumen.
Die letzten 15 km nach Hause fahren wir auf unserer Hausstrecke. Gegen vier Uhr erreichen wir Stammham. Trotz dem elektronischen Helferlein am Vorderrad sind wir ganz schön geschafft. Die Akku der VanMoof Bike halten deutlich länger als erwartet. Mein kleiner Flitzer das Van Moof X2 hatte noch 40 % Energie und das Große S2 noch 18 %. Es wäre tatsächlich möglich gewesen die gesamte Strecke von 115 km mit einer Akku Ladung zu schaffen. Das passt ganz gut zur Werksangabe 60 – 150 km je nach Unterstützungsmodus.
Tag 2 – Stammham – Gunzenhausen am Altmühlsee 97 km
9:00 Uhr die Feuchtigkeit des gestrigen Tages liegt in der Luft. Es ist neblig, Kay und ich schwingen uns auf die zwei Van Moof Bikes. Es gibt auch schon die erste Plan Änderung. Jan hat Rücken und kann leider nicht mit uns starten. Zu Zweit geht es in der kühlen Morgenluft auf bekannten Wegen über Hofstetten nach Pfünz ins Altmühltal. Dort auf dem Radl-Highway sind wir nicht alleine. Alles was dieses Jahr nicht im Flugzeug in den Süden sitzt hat die Radlwege entdeckt. Abwechslungsreich und auf weiten Strecken asphaltiert führt der Altmühltalradweg nach Eichstätt. Der Cappuccino und Nougatring beim Bäcker Markraf gleich am Domplatz schmecken (mal wieder) fantastisch.
Die Wolken verziehen sich und die Stimmung steigt. Am Kletterfelsen bei Breitenfurt kraxeln die ersten Kletterer die Wand hinauf.
Auch auf dem Altmühlwasser herrscht reger Paddelverkehr. Die früher idyllische Hammermühle ist nun touristisch voll erschlossen. Campingwiese, Bootsverleih, Wohnmobilstellplatz, Kiosk, Restaurant und riesige Parkplätze – es herrscht ein treiben wie auf dem Jahrmarkt. Schnell weiter. Unser nächster Stop ist beim Mühlenwirt kurz vor Sollnhofen. Hier geht es schon deutlich ruhiger zu und man kann bei einer schönen Halbe und Breznknödl die Mittagspause genießen. Es ist sehr warm geworden und wir haben noch gute 45 km vor uns. Pappenheim, Treuchtlingen sind sicherlich auch eine Besichtigung, oder Pause wert, doch wir freuen uns auf ein Bad im Altmühlsee an unserem Zielort Gunzenhausen.
Schnappschuß – der nächste Winter kommt bestimmt und hier ist man gut gerüstet.
Hinter Treuchtlingen wird’s dann langweilig. Viele lange Geraden und kein Schatten. Zu Beginn der Tour hatte ich einen etwas höheren Energieverbrauch, doch nun hat Kay wohl etwas öfter den Suchtknopf (Turbo) betätigt und einen niedrigeren Energiestand. Nach einer groben Kalkulation sollte uns der Akku gut die knapp 100 km bis Gunzenhausen halten. Also ab sofort maximale Unterstützung – Gunzenhausen wir kommen. Zügig erreichen wir die Altstadt und sehen über unseren Köpfen unzählige Regenschirme baumeln. Diese sollen nicht etwa den Regen von Morgen vorhersagen sondern die Aufmerksamkeit der Stadtbesucher auf das etwas vernachlässigte Ende der Einkaufsstraße mit Ihren liebevollen Läden lenken. Eine pfiffige Idee die der Bürgermeister aus Sardinien mitgebracht hat.
Die Jugendherberge liegt direkt an der Altmühl in der Innenstadt von Gunzenhausen. Klasse wir haben ein eigenes Zimmer und alles ist bestens organisiert.
Ich hab mich tetwas getäuscht, nicht alle Daheimgebliebenen sind auf dem Radlweg, nein eine nicht vernachlässigbare Anzahl belagert das Ufer des Altühlsees. Das Wasser ist eine trübe Brühe, aber sicherlich beste Badequalität. Egal – die Abkühlung tut gut.
Dicker Fisch – der Gewinner des heutigen Angelwettbewerbs.
Das Fränkische Seenland zeigt sich am Abend von seiner besten Seite.
Den Tag lassen wir im Hafner bei einem Veggie Burger und Flammkuchen und einem kühlen Weizen ausklingen.
Tag 3 – Gunzenhausen – Rothenburg o.d.T. – Creglingen 88 km
Auch die Juhe in Gunzenhausen hat ein Hygienkonzept – wir dürfen uns mit Einmalhandschuhen am üppigen Frühstücksbuffet bedienen.
Kurz nach halb Neuen schwingen wir uns wieder auf die Räder und bei regenverdächtigem grauen Himmel fahren wir den Altmühlsee am Westufer entlang. Der Radweg ist perfekt, ja durchgehend asphaltiert ausgebaut. Wer einmal in der Nähe ist sollte es nicht versäumen den kleinen Ort Ornbau zu besuchen. Über die steinerne Bogenbrücke und das Tor der Befestigungsmauer erreicht man den kleinen ab sehr hübsch restaurierten Ort.
Wir folgen der Radwegbeschilderung nach Herrieden und folgen dem Lauf der immer schmaler werdenden Altmühl. .Es wird dunkler und die ersten Regentropfen fallen. Es wird Zeit auf „Naß von oben umzustellen“. D.h. Crocs an und später ggf. noch die Regenjacke drüber.
Herrieden lassen wir rechts liegen und nach einer Viertelstunde ist es auch vorbei mit dem Regen. Eine leichte Brise weht uns trotzdem entgegen, doch der elektrische Helfer am Vorderrad verricht true seinen Dienst und hält uns auf einer Geschwindigkeit knapp unter den 25 km/h. Mit Muskelkraft unterstützen wir zusätzlich, so dass wir den Energieverbrauch auf Stufe 3 bei der etwas höheren Reisegeschwindigkeit gegenüber gestern noch im Rahmen halten können. Über Nebenstraßen und kleine Ortschäftchen geht es stets in Richtung Nord-West nach Leutershausen. An den Radwegbeschilderungen gibt es nichts auszusetzen. Diese sind perfekt und man muss sich eigentlich nur die nächst größere Stadt merken. Ein Blick auf die Karte ist nicht mehr notwendig.
Schnappschuss – VW Campingbus XXL oder einfach ein geräumiges Familienauto.
Vor Leutershausen überqueren wir noch einmale die jetzt noch schmaler gewordene Altmühl. In Frommetsfelden verlassen wir die Altmühl um nach Nordwesten in das Taubertal zu queren. Von nun an wird es hügliger und deutlich abwechslungsreicher. Kleine Wäldchen, Heide und liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser in den kleinen Dörfchen.
Noch einen kleinen bewaldeten Bergrücken hinauf und dann geht es zügig bergab, unter der Autobahn A7 hindurch und schon erreichen wir das Stadtgebiet von Rothenburg ob der Tauber.
Man hat uns nicht zuviel versprochen, die Altstadt mit Ihrer Burg und ihren unzähligen Türmen, Stadtmauer und kleinen Gassen ist riesig und perfekt restauriert. Einzig die noch erlaubten Fahrzeuge im Stadtkern stören das Bild.
Die Van Moof Bikes fallen mit ihrem außergewöhnlichen Design den Leuten ins Auge und wo man stehen bleibt werden wir angesprochen. Bis jetzt gibt es bis auf die schon vielfach kritisierten etwas schwachbrüstigen Seilzug-Scheibenbremsen nichts auszusetzten. Die Bikes rollen ohne Probleme und der Akku hält länger als erwartet.
Von der Burgmauer hat man einen ganz guten Überblick über die gewaltige Ausdehnung der Altstadt über dem Taubertal. Vielleicht haben wir wegen der Eingeschränkten Flugverbindung nach Asien und USA heute etwas Glück, was die Anzahl der Besucher angeht.
In einer Nebengasse entdecken wir die Bäckerei Schöbel, die perfekte Verpflegungs- und Ladestation für Langstrecken-E-Biker. Wer abseits der der Hauptfußgängerzone durch die Gassen streif findet interessante Ecken, kleine Cafes und hübsche Lädchen.
Wir verlassen Rothenburg durch eines für Autos gesperrte Stadttor in Richtung Taubertal. Über die große steinerne Bogenbrücke gelangen wir auf die schmale Straße die der Tauber Fluß abwärts folgt. Ich fühle versetzt in die Welt auf einer Modelleisenbahn. Ein üppig grünes Tal mit einem schmalen Flüsschen, Fachwerkhäuser und hoch oben die Stadtmauer von Rothenburg.
Der Radweg entlang der Tauber nach Creglingen ist der Hammer. In einem stetigen auf und ab fährt man mal auf halber Höhe und mal ganz unten am Wasser entlang. Unser Akku ist noch gut gefüllt, so dass es mit maximaler Unterstützung und maximaler Geschwindigkeit die letzten 17 km bis nach Creglingen geht.
Pension / Restaurant Herrgottstal löingt vielversprechend und ist recht solide und freundlich im 70 Jahre Stil.
Wir haben ein Dachzimmer. Den Balkon teilen wir uns mit Chris. Chris ist schon etwas über siebzig und war im Profiradsport der späten 60 Jahre dabei. Nach der förmlichen Balkonstuhlaufteilung war ich auch schon mitten in ein interessantes Gespräch im Radsport der 60er und 70er Jahre. Doch das Erste was ich lernte war, das Chris ein Flame war und ich in keinem Fall von Belgien, oder Belgier sprechen sollte. Nach dem auch dies geklärt war berichtete er mir von seinem guten Freund Tom Simpson, welcher 1967 am Mont Ventoux unter Einfluss einer nicht gerade geringen Menge von Amphetaminen kollabiert ist und starb. Wir redeten lange über die Fahrer und deren legalen wie auch illegalen Leistungssteigerungen und was in dieser Zeit als völlig normal und notwendig angesehen wurde. Für unsere Tour gibt es nur den nebenwirkungsfreien E-Antrieb zur Leistungssteigerung. Der Abend endet nach einer intensiven Diskussion über die Unfähigkeit der belgischen Notregierung.
Tag 4 – Creglingen – Wertheim – Miltenberg 122 km
Van Moof hat mit dem außergewöhnlichen Design der Bikes wirklich einen Volltreffer gelandet. Schon in der Fahrradgarage werden wir auf die Räder angesprochen. Die Frau des Interessierten älteren E-Bikes meinte nur noch zu Ihrem Mann: „… siehst Du dann haben wir doch wieder die Falschen gekauft.“
Der nächste Abschnitt führt uns 30 km immer der Tauber entlang nach Bad Mergentheim – auch als Kurstadt bekannt. Der Radweg führt mal auf der alten Eisenbahnstrecke, welche für den Rübentransport 1907 in Betrieb gegangen und in den achtziger Jahren stillgelegt wurde, entlang.
Das Tal ist eng, vereinzelt tauchen am Hang kleine Weinberge auf. Sonst führt der oft malerisch durch bewaldete Uferbereiche, vorbei an alten Eisenbahnbrücken. Die kleinen Örtchen mit ihren Häusern aus Sandsteinsockel und Fachwerkaufbau versetzen mich wieder einmal in die Szene auf der Modelleisenbahn.
Um zügig voranzukommen genehmigen wir uns heute Stufe 3 bei der elektrischen Unterstützung, was sich mit dem starken Gegenwind nicht so gut verträgt. In Bad Mergentheim hat der Akku nach 30 km schon gute 30 % eingebüßt. Wir entscheiden uns für einen Capustop mit Laden. Das war eine sehr lustige Szene, denn die super hilfsbereiten Bäckereiverkäuferinnen versuchten, nachdem die Außensteckdosen stromlos waren, unser Kabel hinter der Theke einzustecken. So hing unsere Ladeleitung nun quer durch den Bäckerladen bis hinaus zu unseren Rädern.
Nächste Teiletappe Wertheim – 76 km. Genusstrecke pur auf dem durchgehend asphaltierten Taubertalradweg.
In xx fällt uns das mit bunten Sitzflächen inszenierte rote Rathaus auf. Zügig geht es in einem sanften auf und ab in Richtung Wertheim, dem Ort an dem die Tauber in den Main mündet. Aus dem Taubertal erkennt man schon von weither die Burg oberhalb von Wertheim.
Aus dem verschlafenen Taubertal kommend wird man in Wertheim von einer belebten Altstadt mit Fußgängerzone und für uns super wichtig öffentlicher Ladesäule überrascht.
Es wird eine längere Ladepause, da der Batteriestand unter 30 % gesunken ist.
Mittagessen, Altstadterkundung und weiter geht es immer Mainufer entlang.
Im Gegensatz zur Tauber ziehen hier auch große Schiffe ihre Bahn. Der Radweg führt meist direkt am teils leicht bewaldeten Ufer des Main entlang. Für die letzten 40 km nach Miltenberg, bzw. Großheubach fahren wir wieder mit maximaler Geschwindigkeit.
An der Promenade des kleinen Ortes Dorfprozelten baden Kinder im Mai. Das kommt uns gerade recht und springen zur Abkühlung in den Main.
Die ersten Wolken ziehen auf und wir erreichen Miltenberg mit den ersten Regentropfen. Die Miltenberger Altstadt verfügt über eine der größten Fachwerkhauszeile in Deutschland.
Wieder einmal tauchen wir in ein Wunderland aus einer anderen Zeit ein. Die Regentropfen von oben drängen zum Aufbruch. Nach wenigen Kilometern erreichen wir Großheubach und das familiäre Hotel Rosenbusch.
Wer einmal hier in der Umgebung ist, dem möchte ich die hervorragende Küche des Restaurants im Hotel Rosenbusch empfehlen. Eine hervorragende lokale Karte, auch vegetarisch und dazu hauseigenen Wein rundet einen perfekten Tag ab.
Tag 5 – Miltenberg – Frankfurt – Mainz 133 km
Heute nur Bilder.
Tag 6 – Mainz – Koblenz 107 km
Heute Morgen regnet es kräftig und es ist schwer vorstellbar das die Temperatur heute auf über 33°C ansteigen soll. Der Radweg aus dem Zentrum von Mainz heraus führt linksseitig des Rhein an einer stark befahrerenen Einfahlstraße entlang. Wir unterqueren einige Autobahnen und Zubringer bis wir nach etwas Schwerindustrie endlich wieder das Rheinufer erreichen. Durch den fast unberührten Wald am Rheinufer führt der unbefestigte Weg. Eine Erholung zu den für den Autoverkehr optimierten Vorstädtischen Industriestraßen aus Möbelhäuser, Autohandel und verfallenen Gebäuden aus früheren Zeiten.
Nach etwa 36 km erreichen wir Bingen. Klasse im Hindenburgpark gibt es ein großes Cafe Bistro direkt am Rhein. Wir fragen den Besitzer nach einer Lademöglichkeit. Nach kurzer Suche in den allen möglichen Räumlichkeiten stellt sich heraus, das dieses Gebäude keine freie Steckdose mehr besitzt. Mit Fragezeichen in den Augen fahren wir weiter.
Der Radweg ist jetzt perfekt ausgeschildert und führt meist direkt am Rheinufer entlang. Auf fast jedem Felsen tauchen jetzt Burgen auf. Hier am Mittelrhein ist die Landschaft ganz besonders. Nicht nur die Burgen sind interessant, sondern auch der klare Fluss mit seinen felsigen Steilhängen und dem schon herbstlich gefärbten Laubwald.
Seit heute haben wir die optimale Gepäckverteilung gefunden. Nachdem in den letzten Tag immer mein Fahrrad, welches nur mit einer Satteltasche bepackt deutlich weniger Energie benötigte, haben wir eine der beiden Satteltaschen von Kay an mein Fahrrad gepackt. Trotz dem deutlich größeren Gesamtgewicht meines Fahrrades haben wir nun nahezu identischen Energieverbrauch. Das bringt uns noch eine etwas größere Gesamtreichweite.
Es ist immer noch bedeckt, aber die schwüle Luft ist deutlich spürbar. Im bildhübschen Mittelrheintal führt der Radweg immer mit bester Sicht auf das Wasser und den dortigen Schiffsverkehr entlang.
Im Welterbe Ort Oberwesel müssen wir nach 56 km Strom tanken und außerdem macht sich auch ein gewisses Hungergefühl breit. Oberwesel ist ein Musterschüler in Sachen E-Bike Mobilität. Am Rathaus können wir kostenlos unsere beiden Van Moof S2 Bikes an einer E-Bike Tankstelle aufladen.
In der Bäckerei Poss versorgen wir mit süßen Teilchen und setzen uns ans Rheinufer. Die Temperatur kratzt jetzt bereits an der 30°C Marke.
Das Van Moof Team ist echt klasse – wir bekommen die Rückmeldung das Sie unser eigenes Bike zurück nach Hause senden werden und wir es nicht mit der Bahn transportieren müssen. Der Rad-Transport bei der deutschen Bahn ist logistische so organisiert wie Seereisen im 18 Jahrhundert. Ein Durchbuchung über mehrere Züge klappt nicht, so dass man in jedem Umsteigebahnhof prüfen muss, ob das Rad mit kommt oder man eben mit dem Rad stehen bleibt und das Ticket verfällt. ICE3/4 Verbindungen fallen bzgl. Radtransport eh raus, da keine Stellplätze vorhanden. Hier besteht noch sehr viel Verbesserungspotenzial.
Nur wenige Minuten nach Oberwesel erkenne ich 10 Meter unterhalb des Radweges einen kleinen Sandstrand und die perfekte Bademöglichkeit.
Das klare Wasser des Rheins strömt mit ansprechender Geschwindigkeit vorbei. Wie kommen wir da jetzt hinunter ? Es gibt eine kleine Tür und eine senkrechte Leiter und schon stehen wir auf den Felsen am Rand des Strands. Es dauert keine Minute und wir springen ins Wasser.
Runter treiben lassen und auf dem Sand wieder flussaufwärts laufen und dann wieder runtertreiben lassen …. Nebenbei fahren noch einige Frachtschiffe direkt vor unserer Nase vorbei. Die Temperatur ist weit über 30°C angestiegen – weiter fahren macht jetzt keinen Sinn. Wir chillen im Schatten, baden, beobachten die Schiffe und winken den verwunderten Radlern hoch über uns zu.
Am säten Nachmittag klettern wir wieder zum Radweg hinauf radeln das eindrucksvolle Rheintal hinunter in Richtung Koblenz.
Der 132 m hohe markante Granitfelsen in der Flußbiegung bei Goarshausen – auch Loreley genannt darf hier die Beschreibung natürlich nicht fehlen. Von unten ist er weit weniger anziehend, als die Aussicht von oben. Das sparen wir uns aber für das nächste Mal auf.
Es tauchen immer noch tollere Burgen auf, so dass die Hälfte der heutigen Fotos aus Burgen am Rhein besteht.
Zehn Kilometer vor Koblenz passieren wir die Rhens Mineralquelle. Das Abfüllwerk hat vor seinem Verwaltungsgebäude ein öffentlichen Trinkwasserbrunnen angelegt, an dem wir unsere Flaschen füllen.
Nächster Stop ist das Deutsche Eck an dem sich die beiden Flüsse Rhein und Mosel vereinigen. Hier ist der Teufel los, auch weil viele Touristen die Seilbahn vom Deutschen Eck zur Festung Ehrenbreitstein nutzen.
Die letzten Meter gehen quer durch die Stadt zum Hotel Jan van Werth – solide. Die versprochene Express-Shoppingrunde darf selbstverständlich nicht fehlen.
Die Pizzeria La Mama in der Altstadt kann empfohlen werden. Wirklich super lecker ist die Eisdiele „Am Plan“.
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Tag 7 – Koblenz – Köln 102 km
Kellerzimmer im Hotel ist im Normal nicht der Este Deal, aber heute Nacht war es perfekt. Während die anderen Hotelgäste bei über 30 Grad in ihrem Zimmer gekocht wurden, konnten wir bei angenehmen 25 Grad schlafen.
Wie bei jeder größeren Stadt ist der Weg durch die Vorstadtindustrie anstrengend. Doch als wir das Rheinufer erreicht haben werden wir durch idyllische Uferlandschaft und interessanten Schiffsbetrieb belohnt.
Andernach nach 21 km ist das nächste Zwischenziel. Der Weg führt über weite Strecken direkt am Rheinufer entlang.
Bonn ist auch vom Ufer aus, mit seinen unterschiedlichen Gebäuden direkt Rheinufer schön anzusehen. Eiinen Stop machen wir nicht, weil wir in Köln ausreichend Zeit für den Besuch von Icecream United und einer Runde durch die Altstadt haben wollen.
In Remagen machen wir unsere obligatorische Mittagspause. Sehr positiv ist die öffentliche Ladesteckdose direkt hinter der Schiffsanlegestelle „Köln – Düsseldorfer“.
Unterhalb des Rolandbogen steht eine fein hergerichtete Villa. Es macht Spaß die Villen, Häuser und Firmengebäude in der Toplage direkt am Rheinufer anzusehen.
Das Ufer verlassen müssen wir nur an den Binnenhäfen mit ihren Containerumschlagplätzen und an großen Industrieanlagen.
Vor Köln wird es mal wieder unangenehmen. 5 km geht es zwar auf einem Radweg neben einer viel befahrerenen Straße entlang. Am Heinrich-Lübke-Ufer erreichen wir wieder den Rhein. Nun geht es durch die Allee auf dem Rheinradweg direkt ins Zentrum
Menschen, Menschen, Menschen – Slalom fahren. Auch in Köln hat man vor einiegen Jahren erkannt das alte Industriefläche in exklusiven Wohnraum umgewandelt werden kann. So wurde der alte Rheinauhafen neu erschlossen. Das Wohnen in einem der hohen Brückenhäuser stelle ich mir sehr angenehm vor.
Wir fahren am Rheinufer an der Altstadt vorbei bis wir ca. 3 km rheinabwärts die Jugendherberge Köln Riehl erreichen.
Ein modernes Hochhaus mit einigen Eigenheiten.
Freies WLAN gibt es nur im Eingangsbereich, die Bed & Bike bezieht sich eher auf Radler ohne elektrische Unterstützung. Denn das Aufladen des Akkus geht nur in der Fahrradgarage und gibt es genau 1 Steckdose und die kostet 1 € / Stunde. Für eine Jugendherberge nicht angemessen, wenn man bedenkt das der Strom auf dem Zimmer frei ist. In den Zimmern dürfen ausdrücklich keine Fahrradakkus geladen werden, da es laut Herbergsleitung in der Vergangenheit zu einem Brand kam.
OK – wir haben jetzt ein Problem unseren Akku bis morgen wieder voll zu bekommen. Der Plan ist eine Abendessenlocation mit Steckdose zu finden.
Zuerst düsen wir frei, ohne Satteltaschen zu Icecream United eine Empfehlung von Kay. Das schmeckt klasse, aber unsere Räder durften wir leider nicht aufladen.
Am Dom hat man uns eine freie Steckdose versprochen, aber auf der Domplatte willst Du Dein Bike lieber nicht öffentlich laden. Es könnte sein das die Tour dann rasch ein Ende hätte. Dafür haben wir ein schönes Bild geschossen.
Heute soll es Burger geben. Irgendwie sind wir auf Otto’s Burger in der Severinstraße gestoßen. Hier dürfen wir unser Ladekabel im Restaurant einstecken. Außerdem schmecken die Burger mit den Onionrings wirklich lecker.
Der Abend ist gerettet. Nach einer kurzen Shoppingrunde in der Fußgängerzone setzten wir uns mit einem lecker Kölsch an das Ostufer gegenüber vom Dom und sehen dem Sonnenuntergang zu.