Es ist der 5. April 2018 und der Wetterdienst hat für Freitag Südföhn angekündigt. Ein stabiles Hoch in den Bergen und ab 1200 m noch jede Menge Schnee. Zu viert machen wir uns um acht Uhr mit dem Auto von Ingolstadt auf den Weg in die Krimmler Tauern in den Zillertalerbergen. Nach etwas mehr als drei Stunden Autofahrt einem Kaffee und mindestens drei belegten Semmeln erreichen wir nach der ersten Kehre am Gerlospass den Trattentunnel (1185). Direkt dahinter ist unser Parkplatz und der Startpunkt zum Aufstieg auf das Krimmler Tauernhaus über die wirklich sehenswerten Krimmler Wasserfälle. Es sollen die höchsten von – ach was weiß ich sein – in jedem Fall verwandelt das üppige glasklare Schmelzwasser die riesigen Abstürze in weiße Vorhänge. Nach einer dreiviertel Stunde Fußmarsch erreichen wir die ersten Aussichtspunkte am Wasserfallweg. Die Warnschilder „Bitte nicht auf die Geländer sitzen“ sind mehr als gerechtfertigt – den der Schnee reicht bis knapp an die Unterkante der Absperrungen. Der Weg wird steiler und sehr eisig. Wir sind zu faul die Schneeschuhe anzuziehen und so gehen wir wie auf rohen Eiern mal ganz rechts und dann wieder links die Serpentinen hinauf. Kurz vor dem Ziel hat eine noch nicht all zu alte Lawine den Weg aufgefüllt und eine steile Furt hinterlassen. Hans legt mit kräftigen Tritten saubere Stufen in den teilweise stark komprimierten und noch unberührten Lawinenhang. Unter der Beobachtung einiger Wanderer, erreichen wir alle sicher die gegenüberliegende Seite. Eine zweite, etwas ältere Lawine überqueren wir Problemlos. Dann stehen wir oberhalb der Krimmler Wasserfälle und haben den Blick hinunter bis zum Parkplatz. Von nun an beginnt der lange Fußmarsch immer an der Krimmler Ache entlang hinein ins Krimmler Achental Tal in Richtung Tauernhaus. Vorbei an gut ausgebauten Almhütten schlängelt sich der Weg das weite Tal entlang. Die Sonne brennt gnadenlos und es weht lauer ein Wind. Von den westlichen Felswänden lösen sich immer wieder kleine Lawinen, welche uns die Gefahr der Lawinenauslösung durch die Erwärmung und Durchfeuchtung noch einmal vor Augen führen. Nach knapp vier Stunden erreichen wir das prunkvolle Krimmler Tauernhaus. Ein mehrstöckiges, riesiges Haus mit einigen Nebengebäuden. Schon beim einchecken wird uns klar dass wir hier keine normale Hütte gebucht haben, sondern eine Luxusunterkunft in den Bergen. Einzelzimmer mit Dusche und Toilette, Wellnessbereich mit Sauna, Dampfbad, 3-Gänge Menü und das alles vom Feinsten. Nachdem wir unseren Flüssigkeitshaushalt mit einem Bier wieder in den grünen Bereich gebracht haben starten wir mit der Erholung im Wellnessbereich. Kräutersauna, 90 Grad Sauna, Fußbad und Zirben-Vitalwasser und dann ab zum Abendessen. Ja das wir wohl ein etwas anderer Hüttenaufenthalt. Der Hüttenwirt mit seiner Familie liebt ihr Geschäft – das schmeckt und spürt man. Nach der ausführlichen Besprechung der morgigen Tour mit dem Wirt geht ein herrlicher Tag in den Bergen zu Ende.
Frühstück 6:00 Uhr – es wird langsam Tag. Auch das Frühstücks Buffett ist mehr als perfekt. Käse, Milch, Butter und Joghurt aus eigener Herstellung. Ziel für den heutigen Tag ist die Richterhütte im Rainbachtal. Hinter dem Krimmler Tauernhaus geht es bei Temperaturen knapp unter null Grad in Serpentinen steil den Zirben Wald hinauf. Die intensiv duftende Bäume werden uns bis auf knapp 2000 m begleiten. Seit einer extra Lektion über Nadelbäume im Gebirge von Doris kann ich nun auch die Zirben sicher von sonstigen Bewuchs unterscheiden. Die ersten Bergspitzen werden von der aufgehenden Sonne beleuchtet. Es verspricht ein herrlicher Tag zu werden. Links vom Bach ziehen wir die Route im weiten Tal mit möglichst großem Abstand zu den umliegenden steilen Hängen immer weiter in Richtung der Materialseilbahn der Richterhütte am Talende. Das Tal öffnet sich ein wenig in den Talkessel mit der auf einem hohen Felsen auf der linken Seite erbauten Richterhütte. Der Wirt hat uns die exakte Winteraufstiegsroute beschrieben. Der Südföhn nimmt zu und wir steigen in den letzten Steilhang rechts vom Hüttenfelsen ein. Eine weite Kehre und schon sind wir oben. Fast hätten wir die einige hundert Meter rechts liegende Hütte verpasst. Die Richterhütte wurde ursprünglich weiter oben gebaut, aber dann von einer Lawine verschüttet und am heutigen Ort wieder aufgebaut. Der Wirt erzählte uns dass die Familie Richter im 19 Jhd. eine tschechische Unternehmerfamilie war. Sie erwarb große Grundstücke im Rainbachtal bis hinunter nach Krimmel. Die Hütte ist im Winter geschlossen, die Nebengebäude liegen unter einer dicken Schneedecke begraben. Das Wetter ist traumhaft sonnig und bei dem tollen Bergpanorama machen wir eine ausgiebige Pause. Der Abstieg mit der Sonne und dem leichten Wind im Rücken wurde mit jedem Höhenmeter weniger wärmer. Eine große Rast vor der letzten Alm, dann überholen uns noch einige abfahrende Skitourengänger. Durch den dichten Zirben Wald geht es die letzten 200 Hm hinunter zum Tauernhaus. Die Sonnenterasse lädt zu einem Kaffee mit warmen Apfelstrudel ein. Die Regeneration der erarbeiteten Höhenmeter findet im luxuriösen Wellnessbereich statt. 90 Grad Sauna, danach Kräutersauna und abkühlen im Schnee und der Freiluftterasse mit überwältigendem Bergblick. Das Abendessen serviert als Dreigänge-Menü mit Zutaten vorwiegend aus eigener Herstellung lässt keine Wünsche offen. Plötzlich erscheint vor den Panoramafenstern eine weiße Wolke und am gegenüberliegenden Berghang rauscht eine riesige Lawine hinunter. Sie fliest lange und breitet sich bis auf den Fahrweg aus. Die starke Sonneneinstrahlung über Tag hat die Schneedecke durchfeuchtet und zum Abrutschen der noch üppig vorhandenen Schneemassen geführt. Morgen Früh wollen wir schon gegen halbsieben starten. Die Bettruhe beginnt für uns daher bereits um 21 Uhr.
Um halb sechs schreit der Wecker. Heute habe ich auch verstanden, dass auf dieser Höhe ein weiches Ei im Selbermacheierkocher nicht nur drei Minuten, sondern acht Minuten benötigt. Heute sind um sechs Uhr bereits alle Wintersportler im Frühstücksraum. Die Lawinenlage ist ab Mittag mit erheblich prognostiziert, so dass alle bereits früh am Berg sein wollen. Wir haben uns für heute den historischen Übergang von Österreich nach Südtirol, die Krimmler Tauern als Ziel gesetzt. Etwa 1000 Höhenmeter und 9 Stunden Wanderung mit den Schneeschuhen. Wie bereits gestern führt der Weg nach einer halben Stunde entlang der Krimmler Ache direkt in Richtung Süden über Serpentinen ins Windbachtal. Im frühmorgenlichen Schatten gehen in der Talmitte stetig leicht bergauf. Von weitem erkennt man einen frischen Lawinenabgang, welcher über den Bach bis in die Talmitte reicht. Wir umgehen diesen als mein linker Fuß plötzlich tief einbricht. Als ich versuchte mit dem rechten Fuß wieder auf die Schneedecke zu kommen realisiere ich, dass ich in den unter mir verlaufenden Bach eingebrochen bin. Unter mir war nur noch fließendes Wasser. Irgendwie robbte ich mich mit den Ellbogen wieder auf die Schneedecke. Die Stiefel waren mit Wasser gefüllt, aber sonst passte noch alles. Also gingen wir weiter und der Wind nahm zu. Auf etwa 2100 Meter erreichten wir zwei alte Telegrafenmasten. Der Wind war so stürmisch und über der Passhöhe schoben sich die Wolken aus Süden drüber. Wir entschieden die letzte Steilstufe von 500 Hm nicht zu gehen, sondern wieder abzusteigen und noch das Krimmler Achental etwas hinauf zu gehen. Auf dem Rückweg treffen wir noch auf einen „modernen“ Jäger, der mitseinem Winterquod nach den Gämsen schaut. Er erzählt noch einiges aus dem Kapitel Jägerlatein. Am Talboden angekommen laufen wir an der glasklaren Krimmler Ach entlang bis zur Jaidbachalm. An der eigentlich geschlossenen Alm wollen wir eine Pause machen und zurück zum Tauernhaus laufen. Doch auf einmal öffnet sich die Türe und Toni der Almbesitzer schaut heraus. Ein Wort gab das Andere und kurz danach saßen wir am uralten Holztisch in der Alm bei einem Glas Schnaps und einem Stück Käse. Marianne, Tonis Frau die wegen Ihrer Liebe zum Singen auch die singende Käserin genannt wird zeigt uns die Alm und das Lager mit den 10kg schweren Käse Laiben. Mehr als hundert Stück lagern derzeit im Käsekeller. Die beiden waren gestern nur für eine Nacht mit den Skiern auf Ihre Alm gekommen um zu schauen ob alles in Ordnung ist. Für uns bleibt es ein unvergessliches Erlebnis. Bei strahlendem Sonnenschein gehen wir die Stunde zurück zum Tauernhaus und genießen bei einer Tasse Kaffee diesen herrlichen Tag. Natürlich darf das Wellnessprogramm nicht fehlen und nach dem Abendessen an der Bar erzählt uns der liebenswerte Wirt noch einige Geschichten über das Tal, die Leute und den 2016 fertig gestellten Umbau des Krimmler Tauernhaus.