Mit dem Fahrrad von der Neißequelle bis zur Ostsee nach Peenemünde im Grenzgebiet zu Tschechien und Polen – das hat mich schon lange gereizt. Von der Neißequelle (bei Nova Ves nad Nisouan, Tschechien) bis nach Kostrzyn (Tschechien) wähle ich den klassischen, gut dokumentierten Oder-Neiße Radweg der auf deutscher Seite verläuft.
Ab Kostrzyn möchte ich dann auf die polnische Seite wechseln und der als Grüne-Oder-Radweg beschriebene Variante folgen.
Ab Stettin soll es dann auf dem Blue-Velo-Radweg #3 in Polen bis nach Swinnemünde weitergehen. Von Swinnemünde dann über den Radweg an den Ostseebädern vorbei bis nach Peenemünde.
Gesamtstrecke knapp 800 km.
Fahrtzeit ca. 7 Tage ab Ende April
Übersicht
Tag 1: Liberec – Neiße Quelle – Chrastava, 63 km, 1010 Hm
Tag 2: Chrastava – Görlitz – Przewoz, 110 km, 430 Hm
Tag 3: Przewoz – Neuzelle, 121 km, 380 Hm
Tag 4 : Neuzelle – Kostrzyn, 90 km, 290 Hm
Tag 5 : Kostrzyn – Krajnik Dolny, 91 km, 435 Hm
Tag 6 : Krajnik Dolny – Stettin, 88 km, 520 Hm
Tag 7 : Stettin – Swinemünde, 132 km, 430 Hm
Tag 8 : Swinemünde – Peenemünde, 67 km, 440 HM
GPX-Tracks können in der Map-Darstellung unten heruntergeladen werden.
Planung:
Beschreibung des klassischen Oder-Neiße Radwegs. Oder alternativ auch hier bei fahrrad-tour.de eine kurze Beschreibung.
Beschreibung für den Abschnitt ab Kystrin nad Odra auf der polnischen Seite – Grüne Oder Radweg
Beschreibung für den Abschnitt ab Stettin bis Swinnemünde – Blue Velo Radweg
Beschreibung für den Abschnitt von Swinnemünde (Polen) nach Peenemünde – Küstenradweg
Tag 1 – 26.04.2024 Anreise: Ingolstadt – Liberec (Kfz), Liberec – Neiße Quelle – Zittau (Bike) – 63 km, 1010 Hm
Es ist 4:30 Uhr und ich biege auf die A9 in Richtung Berlin ein. Gute Startzeit – nach 5 Stunden inkl. Ladestopp erreiche ich Zittau. Dort möchte ich das Fahrzeug parken und mit dem Zug das letzte Stück bis Liberec zurücklegen. Die Schnelladesäule steht Mitten im Wohngebiet und nutzt die Infrastruktur des Telekom-Mobilfunksenders. E-Fahrzeuge sind wohl eher was besonderes. Ich habe sofort freundlichen Kontakt zur Nachbarschaft und man versichert mir das FZG hier sicher einige Tage stehen lassen zu dürfen. Zum Bahnhof Zwickau sind es ur 5 Minuten. Nach der Protestbemalten langen Unterführung stehe ich direkt vor der Zittauer Schmalspurbahn. Da dampft heute noch nix.
Hübscher Provinzbahnhof mit freundlicher DB Auskunft. Um 11 Uhr geht es dann schließlich mit dem Trelix nach Liberec. Nach 30 Minuten und 4 € leichter steige ich am Bahnhof Liberec aus.
Liberec eine klassische Stadt, die um Ihren alten und schönen Stadtkern offensichtlich ungesteuert neue Gebäude und Industrie angesiedelt hat. Fahrradfahrer gibt es hier keine – es geht alles ausschließlich über das Auto und einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr mit Bus, Straßenbahn und Zug.
Meine Mittagspause vor dem alten Rathaus wird durch die Musik des Gitarrenmusikers angenehm untermalt.
Um 12:30 Uhr starte ich dann wirklich in Richtung der Neißequelle. Ziemlich hässlich geht es an und auf stark befahrenen Straßen durch die Vororte an. In den Städten ist es eine Mischung aus neuen Mehrfamilienhäusern und Hochhäusern, welch teilweise direkt vor sehr alten Einfamilienhäusern stehen. Es sieht teilweise schon kurios aus wie der riesige Wohnsilo das kleine „historische Häuschen“ erdrückt. Auf den Halbhöhenlagen sind die Gegensätze fast noch krasser. Sehr alte teils völlig verwahrloste, aber bewohnte Gebäude teilen sich Grundstücke mit modernen Neubauten.
In Jablonec nad Nisou geht es dann in einigen Kehren durch den Wald den Berg hinauf nach Nova Ves nad Nisou. Recht unspektakulär unterhalb der Straße befindet sich dann die Neiße-Quelle. Gut markiert und mittlerweile zugänglich und erschlossen.
Hier also startet die eigentliche Tour von der Quelle bis zur Mündung der Neiße.
Auf den ersten Kilometern folgt man nicht dem Verlauf der Neiße, sondern fährt südlich und oberhalb der größeren Städte Jablonec und Liberec in den bewaldeten Hügeln. Eigentlich sollte der Oder-Neiße-Radweg sehr gut markiert sein. Bis jetzt kann ich das nicht nachvollziehen und folge so dem GPX-Track auf meiner Uhr.
Auf und ab, mal mit Aussicht, mal durch kleine hübsche Örtchen führt der Weg auf Nebenstraßen immer weiter zurück in Richtung Liberec. Am westlichen Ende von Liberec auf der Höhe von Machnin erreiche ich das erste Mal nach der Quelle die hier doch schon stattliche Neiße. Und da wird es auch gleich spannend – die Route führt offensichtlich über einen Bahnviadukt. Fühlt sich komisch an über den Viadukt gemeinsam mit den Bahngleisen zu radeln. Es ist ausreichend breit, so dass ein gewisser Sicherheitsabstand zur Bahnstrecke besteht.
Nur wenige Kilometer danach erreiche ich einen zweiten Viadukt. An dieser Stelle wurde eine Besonderheit zur Überquerung der Neiße gebaut. Eine handbetriebene Schwebefähre (Hamrstejn). So ziehe ich den Korb an einem Seil über Neiße und packe mich mit meinem Fahrrad in den Korb und ziehe mich anschließend über den Fluss. Praktisch einfach und vermutlich günstiger als eine Fußgängerbrücke.
Die letzte Kilometer sind die schönsten der heutigen Etappe. Am wilden Flussufer entlang führt der im schmalen Tal nach Chrastava. Dort komme ich direkt am Rathausplatz in der empfehlenswerten Pension und Restaurant Gloria unter.
Tag 2 – 27.04.2024 Chrastava (Tschechien) – Przewóz (Polen) – 110 km, 430 Hm
Abfahrt heute 9:00 Uhr nach einem deftigen Frühstück aus frittiertem Teig mit Marmelade und Nutella.
Vorbei am Bahnhof von Chrastava, an dem der Zug gestern ja schon einmal angehalten hatte. Der Weg führt jetzt direkt am Ufer der Neiße entlang und am Ortsausgang begegnet mir eine der typischen Fabrikruinen. Das sieht schrecklich aus und unter dem Gesichtspunkt, das Land zukünftig eine sehr endliche Ressource sein wird, könnte man generell Anreize für second-use von alten und uralten Gebäuden schaffen.
Weiter geht es direkt im engen Tal der Neiße stets dem Flusslauf entlang. Zum ersten Mal keine störende Hauptverkehrsstraße in Sichtweite. Dafür riecht es , wie am Ablauf der Waschmaschine. Offensichtlich wurden bereits auf den ersten Kilometern der Neiße verschiedene Abwässer mit entsprechender Ausdünstung eingeleitet.
In Hartau erreiche ich dann über die Grüne Grenze wieder deutsches Staatsgebiet. Nach wenigen hundert Metern radle ich über eine Brücke und stehe vor einem Rot-Weißen-Grenzpfosten. Ups – raus aus Tschechien, dann rein nach Deutschland und jetzt plötzlich in Polen. Das ging ja einfach.
Nichtsdestotrotz war ich falsch, denn der Oder-Neiße-Radweg führt auf der deutschen Seite nach Zittau.
Läuft jetzt wieder – Zittau lasse ich links liegen und radle immer den Dampf- und Rauchschwaden des polnischen Braunkohlkraftwerks am Rande des riesigen und umstrittenen polnischen Tagebaus Turow. Hier wird die geförderte Braunkohle direkt im Kraftwerk verheizt. Leider wurde gem. den Medienberichten vom Juli 2023 der beschlossene Abbaustopp vom polnischen Gericht wieder aufgehoben. Nun darf weiter bis 2044 Braunkohle gefördert und verbrannt werden. Die Abhängigkeit Polens von der Kohleverstromung kann man in Echtzeit gut auf Electricity Maps beobachten.
Im kleinen Grenzörtchen Hirschfelde werden viele der alten Fachwerkhäuser wieder hergestellt, was dem Ort einen einen ganz besonderen Charme verleiht.
Ich freu mich auf die östlichste Stadt Deutschlands In Görlitz hat man mir eine ganz besondere Altstadt versprochen.
Doch kurz vor Görlitz am Bratzendorfersee, einem zu DDR Zeiten sehr relevantem ehemaligen Braunkohletagebau taucht ein riesiger Braunkohlebagger neben der Straße auf. Das Tagebaumuseum am Bratzendorfersee Bagger 1452. Die Größe des gefräßigen Monsters ist beeindruckend.
Tatsächlich zeigt sich die gut restaurierte und gepflegte alte Bausubstanz schon beim Verlassen des Ufers bergauf in Richtung der Altstadt.
Keine Nachkriegsbausünden und gut erhaltene historische Bausubstanz wurde hier restauriert und gepflegt.
Wieder zurück am Neißeufer führt eine gut überwachte Brücke für Fußgänger auf die andere Uferseite nach Polen. Görlitz liegt tatsächlich direkt auf der Grenze, nur durch die Neiße von Polen getrennt.
Bei bestem Radlwetter mit kräftigem Rückenwind und ungetrübter Frühjahrssonne führt der Weg abwechslungsreich mal direkt auf der Grenze zu Polen durch die Uferwiesen der Neiße, mal fernab des Flusses über mit Windgeneratoren gespickte Wiesen und Felder. Nach dem kleinen Ort Deschka stehen plötzlich bunt bemalte Fahrzeuge mit Holzschilder auf dem Dach in der Landschaft. Ich habe die Erlebniswelt von Turisede erreicht. Nicht er typische auf maximalen Kommerz durch geplante Abenteuerpark, sondern eine tatsächlich geheimnisvoll, unprofessionell wirkende Erlebniswelt in der man auch abenteuerliche Übernachtungsmöglichkeiten findet. Eine Nacht im Baumhaus löst bei den Kindern am Eingang schon große Begeisterung aus.
Auf dem stets asphaltierten und prächtig ausgebauten Radweg geht es weiter nordwärts. Ups- hier scheint es eine Panne gegeben zu haben. Vater und Sohn sind mit Ihren Fahrrädern liegen geblieben. Das Kinderfahrrad verliert ständig das Pedal. Es zeigte sich das das Gewinde schon kräftig ausgenudelt war und der Junge jammerte das er die restliche zehn Kilometer nicht laufen möchte. Ich hatte etwas Werkzeug dabei und ich konnte das Gewinde etwas nachschneiden, so dass das Pedal wieder fest am Fahrrad saß.
Ich erreiche wieder das Neißeufer und der Weg führt untypisch gut 30 m oberhalb des Flusses entlang, als sich plötzlich die Wand aus Bäumen und Büschen öffnen und der Blick frei wird. Ein grandioser Aus blick auf die Neiße , die hier fast einen 180 Bogen macht. Die Aussichtsbank lässt mich verweilen.Um ein Haar hätte ich vergessen dass es noch mehr als zehn Kilometer zu radeln sind bis ich die Unterkunft erreiche.
Weiter ging es auf neu asphaltiertem Radweg durch den losen Fichtenwald bis nach Przwoz auf der polnischen Seite.
Dort habe ich mich ins Bike & Hostel eingemietet. Familiär, unkompliziert und sauber.
Die heutige Etappe nahezu ohne Steigung war lang, aber mit Unterstützung des Rückenwindes gut zu bewältigen. Der Abend ist kurzweilig – ein umtriebiges Rentnerehepaar erzählt mir von Ihren Autoreisen nach Moskau, St. Petersburg und Marokko. Von dort waren sie erst im März zurückgekommen.
Tag 3 – 28.04.2024 Przewóz (Polen) – Eisenhüttenstadt 121 km, 380 Hm
Heute nehme ich euch mit auf eine Fahrradreise entlang des malerischen Oder-Neiße Radwegs, der nicht nur mit seiner Schönheit, sondern auch mit seiner Geschichte fasziniert. Mein Abenteuer beginnt in der bezaubernden Stadt Prezwoz in Polen, wo das Klappern meiner Fahrradkette das morgendliche Stadtbild durchdringt und mich auf eine Reise voller Entdeckungen vorbereitet.
Der Oder-Neiße Radweg führt mich durch eine abwechslungsreiche Landschaft, geprägt von Wäldern, Hügeln und Flusslandschaften. Besonders beeindruckend sind die malerischen Oderauen, die sich vor der Oderdammkrone erstrecken und ein wunderschönes Naturschauspiel bieten.
Mein erster Zwischenstopp führt mich zum Fürst Pückler Park in Bad Muskau, einem UNESCO-Welterbe, das mit seinen Gartenanlagen und dem Zusammenspiel von Natur und Architektur begeistert. Der weitläufige Park ist übrigens sehr gut mit dem Fahrrad erkundbar.
Im Schloss entdecke ich das leine Cafe im ersten Stock. Die Terrasse befindet sich auf dem Balkon des Schlosses mit überwältigender Aussicht auf den Park.
Zu spät entdecke ich das auch die weltberühmte Fürst Pückler Eiskreation aus Schoko-, Vanille- und Erdbeer/Himbeereis auf der Karte steht. Aber der Kaffee ist auch sehr lecker.
Ich lese in Presseartikeln, dass der Markt für seine Vielfalt an günstigen Waren bekannt ist, jedoch auch für den Verkauf fragwürdiger Produkte wie Plagiate und Zigaretten. Einige Artikel betonen auch die lebhafte Atmosphäre und die große Anziehungskraft, die der Markt auf Einheimische und Touristen ausübt.
Gestärkt setze ich meine Reise fort und erreiche den Ort Forst, wo mich der Rosengarten mit seiner Abwesenheit an Rosen überrascht. Doch die landschaftliche Schönheit entschädigt mich für dieses kleine Blumen-Dilemma.
Mit frischem Schwung radle ich weiter nach Guben, wo sich die Neißemündung in die Oder bei Ratzendorf in einer beeindruckenden Naturszenerie präsentiert. Die Oderauen entlang dieses Abschnitts bieten eine unberührte Natur und sind Heimat für eine Vielzahl von Wasservögeln und anderen Tierarten.
Wusstet ihr übrigens, dass Ratzendorf eine reiche Geschichte zu erzählen hat, insbesondere im Zusammenhang mit der Oderflut von 1997? Gerade als ich mich über die Flut informiere, erinnere ich mich an die dramatischen Ereignisse und den Besuch des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, der die von der Oderflut betroffenen Gebiete besichtigte und Hilfe zusagte. Ein bewegender Moment, der zeigt, wie Naturgewalten das Leben beeinflussen können.
Besonders beeindruckend sind die malerischen Oderauen, die sich vor der Oderdammkrone erstrecken und ein wunderschönes Naturschauspiel bieten. Leider sind mir heute einige Bilder abhanden gekommen.
Mein heutiges Etappenziel ist das idyllische Neuzell, wo mich das Hotel Prinz Albert mit offenen Armen empfängt und mir eine wohlverdiente Ruhepause in den gemütlichen Klostermauern verspricht. Doch bevor ich meine müden Knochen zur Ruhe bette, besuche ich noch das nahegelegene Kloster, um einen Blick auf die jahrhundertealte Architektur zu werfen und die spirituelle Atmosphäre zu genießen.
Nach einem ereignisreichen Tag auf zwei Rädern bekomme ich im Hotel Prinz Albrecht in Neuzell ein hervorragendes Abendessen und eine angenehme Unterkunft.
Versuch: Generiert bei ChatGPT & modifiziert.
Tag 4 – 29.04.2024 Eisenhüttenstadt – Kostrzyn (Polen)- 90 km, 288 Hm
Nachdem es gestern mit ChatGPT nicht so geklappt, jetzt wieder ein eigen verfasster Bericht. Ich muss beim prompten noch ein bisschen üben.
Prinz Albert hält was er verspricht. Am Frühstücksbuffet konnte ich mich für die heutige Toure richtig stärken. Alles war frisch, Obstsalat, Eier, Käse und leckere Brötchen.
Der Wirt hat mir eindringlich empfohlen den Klostergarten des Klosters Neuzelle zu besichtigen, was ich dann in der Morgensonne auch tat.
Auf dem Damm ging es dann weiter in Richtung Eisenhüttenstadt. Da kommt mir ein älterer Mann auf dem Fahrradentgegen und gestikuliert mir zum Anhalten. Schnell kommen wir ins Gespräch und er erzählt von seinen Radtouren in den 2000er bis 2010er Jahren nach Russland und nach Peking. Da zückte er auch schon sein Smartphone und beschrieb mir den Abenteuerlichen Weg durch Weißrussland, Russland, die Mongolei und bis nach China. Supertyp der jetzt auf seinem Radlcomputer noch verbleibende 8000 km hat bis er nach 100.000 Radlkilometer wieder auf 0 springt. Respekt und mega interessant. Vor Fürstenberg die Stadt an der Oder direkt bei Eisenhüttenstadt überquere ich einen Oderseitenarm, der vermutlich früher für die Anlieferung von Eisenerz zu den Hochöfen von Eisenhüttenstadt führte.
ArcelorMittal produziert heute Stahlbleche für die Automobilindustrie und Haushaltswaren (Weißware) und ist aktuell der zweitgrößte Stahlkonzern der Welt. Außerdem befindet sich das Unternehmen in der Transformation zur CO2 neutralen Stahlproduktion. Viele Einwohner aus der Region haben in Ihren Arbeitsplatz über den Stahlproduzenten ArcelorMittal oder dessen Zulieferbetriebe.
Nach Fürstenberg erreiche ich schnell wieder den Oderdamm. Das Befahren der Dammkrone macht Spaß, denn es öffnet den Blick auf die Sumpf- und Flußauenlandschaft der Oder. Nur anhalten darf ich nicht, den die Stechmücken sind geschlüpft und überfallen mich sofort. Selten habe ich Mückenschutz o.ä. benötigt, aber natürlich immer im Reisegepäck gehabt – dieses Mal fehlt es natürlich.
Wer gerne lost-places erkundet findet hier eine fast unendliche Auswahl. Direkt am Damm eine alte Industrieruine, das ehemalige nie in Betrieb gegangene Kraftwerk Vogelsang. Die beiden Kamine sind noch am besten erhalten.
Am mit EU Fördermittel ausgebauten Fähranleger Aurith (nach Urad Polen) erklärt mir ein älterer Herr das es wohl noch Probleme mit der Wassertiefe gibt. Das kleine Fährbötchen mit nur 40 cm Tiefgang hat nur eine Handbreite Wasser unter dem Kiel. Der Probebetrieb startete im September 2023 und im Frühjahr, so die Planung, soll der Regelbetrieb starten.
Auf dem Radweg kämpft sich gerade die größte Raupe Deutschlands auf die andere Seite. Die bunte, rot-orange, fast Fingerdicke Weidenbohrerraupe (kleines Infovideo) wird kein besonders farbenfroher Falter, ist aber imposant anzusehen.
Frankfurt an der Oder, die ersten 50 km habe ich für heute geschafft. Leider ist die Stadt selbst im Vergleich zu den anderen bisher besuchten größeren Städten an der Neiße etwas charmlos. Zu erwähnen ist aber der installierte Schienennahverkehr.
Im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört fehlt die historische Bausubstanz. Der Nachkriegsstadt und Nachwende Modernisierung wirkt auf mich wenig ansprechend. Damit bleibt für mich nur der Kauf eines Mückenschutzmittels und ein Bild vom Comic Brunnen.
Überrascht war ich als ich in der Nähe des Oderufers saß und plötzlich Meister Lampe hinter mir stand. Er war auf der Jagd nach Vögel und zeigte kein Interesse an mir.
Irgendwann hatte ich dann auch Frankfurt Oder hinter mir gelassen und schwenkte wieder auf die Dammkrone ein.
An der Diplomatentreppe haben sich die sogenannten “ Oderspäher“ postiert. Ich schloß mich an und machte eine ausgiebige Pause auf der dahinterliegenden Bank. Nach einer Weile kamen wir ins Gespräch und ich bekam alles über die Schlacht um die Seelower Höhen im Oderbruch, das verheerende Hochwasser 1997 und die Deichverteidigung erzählt.
Kostrzyn erreiche ich über eine provisorische Oderbrücke und stehe gleich in der ehemaligen Bastion aus dem 16. Jhd. Ziemlich unheimlich das hier einst eine Bastion war, dann die Stadt Kostrzyn, welche dann am Ende des Zweiten Weltkriegs nach der erneuten Erhebung zur Festung nahezu vollständig zerstört wurde.
Die Unterkunft (Agroturystyka Skalnik Noclegi pracownicze Kwatery prywatne Noclegi Wypoczynek dla dwojga) ist heut skurril. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein historischer Krämermarkt mit Singvogelabteilung. Auf den zweiten Blick wirkt es echt liebevoll gestaltet und die kleinen Häuschen sind schön integriert. Ich habe als ein kleines Häuschen mit einem Sitzplatz und einer Vogelvoliere davor.
Die Gegensätze könnten nicht größer sein, denn hinter der kleinen Anlage steht ein Mehrstöckiges Mehrfamilienhaus in postsozialistischer Ausführung. Alles über das gleiche Einfahrtportal erreichbar.
Spannen war auch die Bestellung des Abendessens im Take-Away-Vietnamnesen Ha-Noi. Meinen mühsam mit Googleübersetzer ins Polnische transferierten Essenwunsch, wurde noch einmal mit Googleübersetzer in eine weitere Sprache übersetzt. Und es kam tatsächlich ein super leckeres vegetarisches Nudelgericht „ohne scharf“.
Ich bin begeistert und der Wirt freute sich mit mir.
Tag 5 – 30.04.2024 Kostrzyn (Polen) – Krajnik Dolny (Polen) 91 km, 435 Hm
Menschen – heute Morgen sitze ich vor meinem Häuschen da streckt mir mit breitem Grinsen ein stämmiger Mann begrüßend entgegen. Ich nenne Ihn Lech, weil ich seinen richtigen Vornamen hier nicht schreiben möchte. Lech ist der Chef der Unterkunft und hat all die kleinen Häuser, den Teich und einfach die ganze Anlage mit eigenen Händen gebaut. Lebhaft beschreibt er wie er vor zwölf Jahren begonnen hat die ganzen historischen Landwirtschaftlichen Geräte, Werkzeuge zu sammeln und entsprechend einzubauen. Die Corona Pandemie hat er genutzt um zwei weitere Steinhäuser zur Vermietung hinzu zu bauen. Mein Häuschen erklärt er mir, sei vollständig aus Styroporblöcken aufgebaut. Nicht schlecht für die Isolation, das Klima ist jedoch ohne Lüftungsanlage spez. im Sommer etwas gewöhnungsbedürftig. Ich fühle Lechs Begeisterung für sein Werk und er beschreibt es so: Lange Jahre habe in Süddeutschland Zäune aufgebaut, doch dann wollte er sich mit dem ersparten Geld eine Existenz in seiner Heimat aufbauen. Vielleicht ein typischer Lebenslauf, ich weiß es nicht. Wir unterhalten uns noch lange, über die Schildkröten und die Waagen und viele andere technische Geräte. Nebenbei wird ein aus dem Nest gefallenes Vogelbaby gerettet. Es fällt mir schwer diesen wunderbaren Ort, der so gar nicht in dieses Stadtviertel passt zu verlassen.
Hier in Kostryn startet also der Radweg „Grüne Oder“ der vollständig auf polnischer Seite verläuft. Dieser ist wenig bekannt und ich habe dazu nur diese Seite polen.radweginfo.de gefunden (leider GPX Daten nur mit Kauf des Buchs). Gefolgt bin ich am Ende den Daten von Komoot (https://www.komoot.com/de-de/tour/1539770513).
Eine Beschilderung des „Grüne Oder Radwegs“ in Kostrzyn suche ich vergeblich und so folge ich dem GPS-Track. Die letzten Häuser von Kostrzyn habe ich gerade verlassen und stelle dann schnell fest, dass es heute sicherlich anstrengender wird. Keine asphaltierte Radautobahn auf der Dammkrone wie in den letzten Tagen, keine Radwegschilder.
Nein – eine sandige Geländepiste durch das Sumpf- , Überflutungsgebiet und durch einen riesiges lichtes Waldgebiet. Natur pur eine tolle Abwechslung, wenn auch deutlich anstrengender.
Ab Namyslin zieht die Piste erst auf Asphalt dann eher als eine 4WD Sandpiste kerzengerade durch den Wald. Autos treffe ich nur sehr wenige. Die Streckenführung ist klasse, weil sie in krassem Gegensatz zu den letzten beiden Tagen steht. Wer keine Holperpisten oder Trails mag, sollte lieber die deutsche Variante des Oder-Neiße-Radwegs weiter fahren.
Das Gebiet um Kystrzin, Gozdowice bis Siekierki hatte 1945 am Ende des Zweiten Weltkriegs beim Sturm auf Berlin eine große Bedeutung. Hier setzte die Rote Armee mit dem polnischen Militär auf das andere Oderufer über. Bei der letzten und größten Schlacht auf deutschem Gebiet gab es noch einmal sehr viele Tote. Die Strecke lässt die Erinnerung in Museen und Gedenkstätten nicht verblassen.
Wie unschätzbar wertvoll ist gerade in der heutigen Zeit, wo an verschiedenen Stellen völlig unnütze Kriege angezettelt werden, eine so freie und unkompliziert, friedliche Fahrradtour in unserem Nachbarland.
Kurz vor Hohenwutzen erreiche ich den westlichen Punkt Polens. Dieser wurde vor einiger Zeit mit einem Stein und einer Tafel markiert.
Meine heutige Unterkunft bietet leider keine Mahlzeiten an und so entscheide ich mich am Grenzübergang bei Osinow Dolny (Hohenwutzen) ein Restaurant zu besuchen. Im etwas abseits vom Hauptrummel gelegenen Restaurant Lans S.C. Lucyny bekomme ich alles was mein Herz begeht. Besonders lecker sind die Pierogie mit Quarkfüllung.
Wie an den meisten anderen Grenzübergängen ist auch am Übergang Hohenwutzen der „Sparturismus“ in vollem Gange. Tanke, Zigaretten …. alles wird im Polenmarkt beworben. Stolz ist man wohl auch dass der Markt schon in den deutschen Medien durchgekaut wurde. Soll diese Beschilderung ein gutes Gefühl beim Superspartrip auf Kosten … von wem eigentlich. Irgendwie finde befremdet es mich, so auch beim Essen, wo ich ja auch der Teil des Projektes geworden bin.
Es ist richtig heiß geworden. 30°C oder nur knapp darunter. Der Weg führt jetzt hinter dem Damm auf den typischen Zweispurbetonplatten entlang. Ab Bielinek zieht der Weg etwas ins Landesinnere und steigt für die Verhältnisse hier doch kräftig an. Heute schmerzt das Sitzfleisch kräftig. Es sind auch schon wieder über 80 km auf der Uhr. In Zaton Dolna führt der Weg wieder direkt ans Oderufer hinunter. Dieser Abstecher lohnt sich wirklich. Am Ortsende liegt das Cafe Beata – im Tal der Liebe. Von der Sonnenterasse hat man einen perfekten Ausblick auf die unterhalb vorbeifliesende Oder.
Ich bin der einzige Gast und komme mit Beata schnell ins Gespräch. Beata beschreibt mir den Aufbau des Cafes vor 17 Jahren zusammen mit Ihrem Mann und die teils Schwierige Situation in den Wintermonaten, wo für die Familie ein Zuverdienst an einer anderen Arbeitsstelle erforderlich war. Beata sieht immer die gute Seite, auch in den schweren Monaten der Pandemie und freut sich jetzt wieder über gerade an den Wochenende übervollen Sonnenterasse. Ach ganz vergessen habe ich das die Kuchen und Speisen alle selbst gemacht sind und das kann ich sagen mein Käsekuchen fantastisch schmeckt. Also wer die Gelegenheit hat hier vorbei zu radeln sollte einen Stopp einplanen.
Auf den letzten Metern direkt am Oderufer läuft mir noch Krokowski über den Weg. Das sollte kein Zufall sein- ich hab einen Begleiter gefunden.
Die Unterkunft heute ist das Deutsch-Polnische-Kulturzentrum-Osrodek-konferecyjno in Gorki Krajnickie. Hier ist nicht viel los. Das eigentlich für Gruppen ausgelegte Zentrum ist is auf ein paar vorbereitete Zimmer nicht in Betrieb.
Ich bin alleine, habe ein riesiges Dreibettzimmer und ruhe mich nach dem heißen Tag erst einmal aus.
Tag 6 – 01.05.2024 Krajnik Dolny (Polen) – Stettin (Polen) 88 km, 520 Hm
Die polnische Seite zur Grenzstadt Hohenwutzen ist Krajnik Dolny. Auch hier an der Ausfallstraße in Richtung Ognica ist in jedem zweiten Haus Friseur. In Polen ist der 1. Mai Nationalfeiertag und der 3. Mail Tag der Verfassung. Aus diesem Grund ist auf der Straße heute Morgen noch nicht viel los. Dennoch empfinde ich es als unangenehm, wenn die Autos mit über 100 Sachen an einem vorbeibrettern. Immer wieder biege ich in ein kleines Örtchen am Rande ab. Dort ist dann kein Verkehr, aber dafür grobes Kopfsteinpflaster, was meinen beanspruchten Hintern ganz schön durch rüttelt.
Widuchowa ein kleines schön herausgeputztes Örtchen erreiche ich heute zum ersten mal wieder das Wasser der Oder. Der hübsche kleine Kiosk lädt zu einer Kaffeepause ein. Die Familie erklärt mir dass sie heute Neueröffnung haben, aber leider erst ab 12 Uhr. Es ist erst 9:30 Uhr , so lange wollte ich dann doch nicht auf meinen Kaffee warten.
Also ging es weiter in Richtung Stettin. Jetzt auf tief zerfurchten Feldwegen zwischen Oder und der im Landesinneren gelegenen Straße. Ich war schon eine ganze Zeit dort unterwegs, als mir plötzlich ein Auto mit Schlauchboot auf dem Dach entgegen kam. Wie kam der den da rein ?
In Dolna Odra, dem eines der großen Kohlekraftwerke Polens, läuft der Weg wenig romantisch an der Bahnlinie und im schwer verwahrlosten Industriegebiet entlang. Dort sind die Gegensätze echt krass. Zwischen Industrieruinen gibt es einfache Behausungen. Zwei komplett verwahrloste und vermüllte Wohnwagen stehen am Straßenrand. So richtig wohl fühle ich mich hier nicht.
Nach Gryfino ergibt sich noch einmal ein kurzer Blick auf die Oder bevor der Weg dann nach Osten ins Landesinnere abbiegt.
Es geht bergauf – ja das gibt es tatsächlich hier auch. Und dann wird es auch schon wieder sehr sandig. 10 cm Sandauflage genügen und man darf das Rad schieben.
Bei Podjuchy einen auf der östlichen Seite der Oder gelegenen Ort, wähle ich die Überquerung des hier schon mehrere Kilometer breiten Oderflussgebiets. Über eine schreckliche zweispurige Brücken- und Straßenkombination der Straße 31 geht es über den östlichen Oder Arm.
Dann sehe ich von der Brücke einen gut besuchten Badestrand mit Bäumen, Bänken einem Tretbootverleih – na den brauch ich heute wirklich nicht. Aber vielleicht eine gute Stelle um eine kleine Pause zu machen . Die Badestelle nennt sich Dziewoklicz Plaza.
Mir fällt auf, dass auffällig viele Jetskifahrer sich im Bereich des Strandes zeigen und nach Aufmerksamkeit der spielenden und grillenden Gesellschaft lechzen. So ziehen nach einander bestimmt zehn verschiedenen Wasser-PSler ihre Show ab.
In den Vororten von Stettin dann die andere Seite der Medaille. Hier wohnt in großen und alten Wohnblocks, auf engem Raum die gesellschaftliche Schicht die sicher nicht dem Jetski vor dem Bürgerstrand auf „dicke Hose“ macht.
Um einen groben Überblick über die Stadt Stettin zu erhalten ist das Fahrrad ideal. Schnell bin ich in der Innenstadt und am Ufer der Oder auf der Hakenterasse.
Von hier hat man einen schönen Blick auf die andere Uferseite wo sich neben einem kleinen Jachthafen auch ein modernes schiffsförmig gebautes Gebäude – das Maritime Wissenschaftszentrum – befindet.
Natürlich sehe ich mir auch die drei Lastkräne, ein Wahrzeichen von Stettin, vor dem riesigen Gebäude an.
Besonders schön sollen Sie in der Nacht mit Beleuchtung anzusehen sein.
Es sind fast schon wieder 90 km zusammengekommen. Mein Hotel nennt sich Vulcan Hotel und meine Hoffnung dass es im Bereich der ehemaligen Vulcan Werft liegt wird nicht enttäuscht. Ich habe einen perfekten Blick auf das Werftgelände und die riesigen Lastkräne. Die Geschichte der Vulcan Werft ist sehr interessant.
Vulcan hat aktuell ein großes Trainingscenter für Havariesituationen, Feuerbekämpfung und Rettungstechniken.
Das Hotel Restaurant ist durchaus zu empfehlen.
Tag 7 – 02.05.2024 Stettin (Polen)- Swinemünde (Polen) 132 km, 2430 Hm
Oh weh – heute Morgen fühlt sich der Magen nicht so toll an. Jetzt habe ich mich auf das in den Bewertungen angepriesene Frühstücksbuffet so gefreut. Das lass ich aber mal besser aus und starte direkt um 7:00 Uhr in die lange Etappe nach Swinemünde. Die Fahrt aus der Stadt geht bis zum Aeroklub Stettin auf einem gut markierten Radweg.
Der Problembereich ist außerhalb der Stadtkernzone und noch vor den Nebenstraßen des ländlichen Bereichs. Hier kämpfe ich mich auf Schnellstraßenzubringer und blöden stark und schnell befahrenen Straßen die Kilometer bis nach Pucice. Frühstückspause mache ich nach den ersten 30 km rauf eine Bank im Örtchen Borzyslawiec
Es folgt der immer gleiche Ablauf – erst Asphaltstraße, dann Kopfsteinpflaster durchs Dorf, dann auf einen Feldweg mit Zweispurplatten, die einen auch kräftig durchrütteln und dann folgt der Sand- bzw. Erdtrail. So durchquere ich das trockengelegte Sumpfgebiet Borzyslawiec und Modrzewie. Da kann ich froh sein, wenn ich am Ende wieder in einem Dorf rausfalle und der Weg nicht unterwegs vor einem Entwässerungskanal endet.
Wunder geschehen ! Ich entdecke das erste Fernradwegschild in Polen. Der Weg #3. Rasch nachgeschaut soll er bis nach Swinemünde führen und als Zwischenziel in 5 km zum Ort Wolin führen. Den nehm ich.
Nach 45 km die zweite kurze Rast am Minisupermarkt in Krepsko.
Jetzt wird es richtigschön. Der Weg führt auf der Krone des flachen Damms und man hat hier und da den freien Blick auf das Stettiner Haff – die riesige Wasserfläche in die die Oder fließt und welche dann über die Swinemünde die Verbindung zur Ostsee hat.
Wolin, die Stadt hat wohl ihre Bedeutung durch die Brücken zur Überquerung des Stettiner Haff und wie man nachlesen kann war sie daher auch sehr reich. So reich scheint sie heute nicht mehr zu sein, dennoch gibt es für mich einen kleinen Pausensnack zu kaufen.
Weiter geht es immer dem Radweg #3 folgend. Tolle Hügellandschaft auf ehrlich top ausgebautem Radweg. Der Weg der auch Blue-Velo-Radweg genannt wird ist gut von Radfahrern frequentiert.
Es ist herrlich – ich radle durch den lichten Laubwald und mein Ziel die Ostsee kommt schneller näher als erwartet.
Auf der Strecke passiere ich noch den zu seiner Zeit geheimen V3-Museumsbunker in dem die Vergeltungswaffe 3 für Ihren Einsatz in zweiten Weltkrieg in Frankreich entwickelt und getestet werden wurde.
Endlich ist es soweit – ich erreiche die Ostsee in der Stadt Miedzyzdroje. Mensch ist hier was los. Die typischen Tourishops, Hotel und alles was der Reisekapitalismus so braucht. Es ist warm, zu mindest die Luft und der Strand ist gut besucht. Schnell ein Selfie und dann an einem etwas ruhigeren Ort vielleicht noch ins Wasser springen.
Ja – die Ostsee ist richtig kalt. Mit Schwimmen wird es nix, aber ein zwei Züge im eiskalten Ostseewasser gehen schon. Das hätte ich mir vor einer Woche nicht träumen lassen, dass ich am Ende der Oder-Neiße-Strecke in der Ostsee baden kann.
Mit traumhaften Ausblick verläuft der Weg oberhalb der Dünen, bevor er dann in eine Waldbiste abbiegt. Nach ca. 10 km erreiche ich Swinemünde und bin überrascht, dass die Fährüberfahrt kostenlos ist.
Swinemünde erscheint mir wie eine geteilte Stadt. Es gibt die Promenade mit den riesigen Hotels von Hilton, Radisson Blue und super viele Urlauber die hier flanieren. Und es gibt die Stadt mit ihren typischen Vorortwohnblocks. Hier geht es deutlich ruhiger zu. Swinemünde ist die erste Stadt auf meiner Reise, welche konsequent Radweg auf neben den Fahrstraßen umgesetzt hat – Dank – echt cool – und wird auch genutzt.
Tag 8 – 03.05.2024
Swinemünde (Polen) – Peenemünde 67 km, 440 Hm
Ja – der letzte Tag, die letzte Etappe nach Peenemünde startet heute. Es ist eine der kürzeren Etappen und ich habe mir vorgenommen die Fahrt an den Ostseebädern entlang mit viel schauen und der ein oder anderen Pause zu verbringen.
Swinemünde verlasse ich über die Verlängerung der Promenade nach Heringsdorf. Ein grenzüberschreitendes EU-Projekt. Schöner angelegter Radweg, der die beiden Städte zu Fuß oder mit Rad durchs Grenzgebiet verbindet.
Vor Heringsdorf erreiche ich den Ahlbeck. Die Seebrücke von Ahlbeck mit dem klassisch weißen flachen Gebäude sticht schon von Weitem ins Auge.
Der Magen knurrt und fordert ein Frühstück. Die Sonnenterassen der Hotels und Villen welche direkt an der Promenade liegen sehen mir etwas zu spießig aus.
Daher entscheide ich mich für einen kleinen leckeren Bäcker in der Seitenstraße.
In Heringsdorf biege ich ins Hinterland ab um den Aussichtsturm mit 7 Seenblick anzusehen. Ja, nett aber viel interessanter ist der Übergang vom Tourismushighway und Hotspot am Meer zum völlig verlassenen und entspannten Hinterland. Es ist nicht mehr wie ein Kilometer bis ich die Ruhe spüre und über einsame Wiesentrails radle.
Vorgenommen hatte ich mir ja die Ostseebäder zu erkunden und so kehre ich wieder auf den Radweg hinter dem Deich zurück.
Nach Heringsdorf geht es hoch auf die Klippen. Cooler Singletrail – hätte gar nicht erwartet dass ich heute noch so einen schönen Abschnitt mit dieser tollen Aussicht fahren darf.
Wieder zurück auf dem Radlhighway taucht rechts einsam der Fischerjäger auf. Genau richtig für eine Mittagspause mit einem Backfischbrötchen und einem leckeren Störtbecker Bier (alkfrei 😉 versteht sich.
In Zinnowitz erscheint am Ende der Seebrücke ein interessantes Gebäude. Beim näheren Hinsehen handelt es sich um eine Tauchkabine die an einem Stahlpfahl fürs Touristen–Unterwasser-Sightseeing hinuntergelassen werden kann.
Kurz vor dem Seebad Karlshagen ist es mir so warm, dass ich mich spontan für ein Bad in der Ostsee entscheide. Schnell noch die Baderegeln geprüft – OK den Eimer Wasser lasse ich weg und vier Tage hintereinander habe ich auch nicht gebadet – es kann also losgehen.
Ups – doch immer noch recht frisch. Schwimmen nur zwei bis drei Züge und ein wenig planschen, dann ist die Haut auch schon krebsrot und ich habe fertig. In Karlshagen lese ich dann an der offiziellen Temperaturanzeige Wasser 4°C – OK es mögen am Strand vielleicht 2° mehr sein, aber dann verstehe ich warum nur Kurzbadezeit ging.
So – es schieben sich die ersten Wolken vom Landesinneren heran. In Peenemünde, meiner letzten Station ist es schon dunkel, gewitterig geworden. Das Historische Technik Museum schaue ich mir von außen a. Hier wurde also am Ende des Zweiten Weltkrieges die Rakete V2 von Wernher von Braun entwickelt. Eine Rekonstruktion findet man u.a. hier.
Auf den 7 km zurück zur Unterkunft Pension Maiglöckchen in Karlshagen erwischen mich dann doch noch auf den wirklich letzten Metern die Regentropfen. Das ist auch gleich wieder vorüber und ich lass den Abend am Strand ausklingen.
8 Tage, 800 km und viele tolle Erlebnisse und Eindrücke nehme ich von dieser Radlreise mit.
Lieber Olli,
Da wäre ich gerne mitgefahren. Du beschreibst die Schönheiten der Strecke wie immer so emotional. Komm gut weiter und zurück zum Auto.
LG Ingo